Quo Vadis Krankenhausreform - 5 wichtige Fakten und ihre Konsequenzen
Quo Vadis Krankenhausreform
Politische Reformen finden klassischerweise in vier Phasen statt. Bei der Krankenhausreform befinden wir uns in der Mitte von Phase 3, der heißen Diskussions- und Abstimmungsphase, an deren Ende das Zielbild und der Weg dorthin klar definiert sein sollten. Heute fasse ich die bis dato 5 wichtigsten Fakten und Erkenntnisse zusammen.
Das aktuelle Reformvorhaben lässt sicher sehr gut in vier Phasen unterteilen. In der ersten Phase sollte ein Expertengremium aus Wissenschaft und Praxis ein idealtypisches Zielbild des Gesundheitswesens skizzieren, sowie den Weg zu diesem Zielbild operationalisieren. Dies hat die Regierungskommission versucht mit den Stellungnahmen 1-4 zu erarbeiten. Die zweite Phase ist in jeder politischen Reform von mehr oder weniger großem Aufruf geprägt. Reformen bedeuten Veränderungen und Veränderungen wirken sich in unterschiedlicher Art und Weise auf die Stakeholder des Gesundheitswesens aus. Aus diesem Grund positionieren sich Unternehmen, Verbände, Interessensgruppen und politisch Verantwortliche zu den geplanten Veränderungen sehr heterogen. Wichtig für die aktuelle Reform ist es, dass die Positionierung der einzelnen Interessengruppen das Reformvorhaben nicht zu sehr abschwächt.
Die 5 wichtigen Fakten mit Kurzkommentierung
Nachfolgend finden Sie die 5 wichtigsten Fakten, die bislang aus dem Krankenhausreformvorhaben hervorgingen, knapp zusammengefasst. Eine ausführliche Erläuterung, Analyse und Interpretation zu allen Punkten sowie daraus folgenden Szenarien erhalten unsere Seminarteilnehmer ab Mittwoch, 29.03.2023 – https://www.bindoc.de/seminarreihe-masterplan-krankenhausreform.
1. Einführung von Krankenhausleveln:
Fakt: Die Versorgungslevel reichen von Level I bis Level III Krankenhäuser, wobei Level I Krankenhäuser in Level Ii und Level In unterschieden werden. Level Ii Krankenhäuser stellen hierbei keine klassischen Krankenhäuser mehr dar, sondern vielmehr intersektorale Gesundheitszentren mit Akut-pflegekapazitäten. Diese neue Versorgungs-form soll insbesondere zu einer Sektoren-verschmelzung des ambulanten und stationären Sektors beitragen. Die Mindestvoraussetzung für die Leveleinteilung können untenstehender Grafik entnommen werden. Neben diesen Mindeststrukturkriterien könnte für potenzielle Level-In-Häuser ein weiteres Kriterium relevant werden. Diese Level-In-Krankenhäuser würden laut Stellungnahme der Regierungskommission nur dann einen Sicherstellungsauftrag erhalten, wenn sich im 30 Minuten Fahrzeitradius kein Krankenhaus der Level II oder III befinden.
Kurzkommentierung: Die Einführung von Leveln ist eine richtige und wichtige Voraussetzung für mehr Qualität in der Leistungserbringung. Mindestvoraussetzung an personellen Qualifikationen und medizinisch-technischer Ausstattung für definierte Leistungsspektren werden den Markt verändern! Wichtig wird in der Bund-Länder Diskussion, dass regionale Unterschiede in der Leveleinteilung berücksichtigt werden, um Unterversorgungen zu vermeiden.
2. Einführung von Leistungsgruppen
Fakt: Aktuell sieht die Stellungnahme der Regierungskommission 17 Leistungsbereiche mit insgesamt 128 Leistungsgruppen vor. Es ist allerdings nach den Bund-Länder Diskussionen davon auszugehen, dass das NRW Modell mit seinen 68 Leistungsgruppen übernommen werden könnte. Der ursprüngliche Entwurf sah vor, dass jeder Leistungsgruppe ein Versorgungslevel zugeordnet wird, so dass nicht alle Kliniken auch alle Leistungsgruppen erbringen dürfen. Auch das scheint im Rahmen der Abstimmung mit den Ländern gekippt worden zu sein, so dass die Leveleinteilung und die Zuordnung der Leistungsgruppen den Ländern obliegen wird und regional Ausnahmen gemacht werden können. Ziel dieser Leistungsgruppen-Zuordnung ist es, dass Krankenhäuser personell und technisch für die Behandlung der jeweiligen Indikationsgebiete gut ausgestattet sind und Patienten in einer hohen Qualität behandeln können. Die Behandlung von Herzinfarkten erfordert beispielsweise das Vorhandensein eines Linksherzkatheters, Schlaganfälle benötigen zur Behandlung eine Stroke Unit und onkologische Erkrankungen sollten in zertifizierten Krebszentren behandelt werden. Diese Voraussetzungen können die Qualität verbessern.
Kurzkommentierung: Das NRW-Modell der Leistungsgruppen zu adaptieren wird der sinnvollste Weg für eine erste Etablierung von Leistungsgruppen sein! Wir haben bei BinDoc sehr viele Analysen hierzu durchgeführt und uns unterschiedliche Kliniken und Regionen angeschaut. Auch hier gilt, dass die Einführung von Leistungsgruppen das Potenzial haben, die Versorgung zu verbessern. Es wird aber unter den Kliniken Gewinner und Verlierer geben!
3. Neue Vergütung unter Berücksichtigung von Vorhaltungen
Fakt: Die aktuelle Planung sieht vor, dass die DRG-Vergütung um sogenannte Vorhaltebudgets ergänzt wird. Für jede Leistungsgruppe wird der Anteil der Vorhaltebudgets und der Anteil der Vergütung an der Gesamtvergütung festgelegt. Die Vorhaltebudgets sollen zwischen 40% bis 60% der Gesamtfinanzierung ausmachen. Die Vorhaltebudgets sollen sich aus dem aktuellen Pflegebudget (20%) und einer Vorhaltung für die restliche Infrastruktur (personell und medizinisch-technisch) zusammensetzen.
Kurzkommentierung: Für die Einführung einer neuen Vergütungsstruktur und um den ausschließlichen Leistungsanreiz zu reduzieren, ist der Splitting-Vorschlag gut geeignet. Mittelfristig muss die Vergütung aber unbedingt eine Qualitätsdimension erhalten. Dies hat die Regierungskommission auch bereits angekündigt, aber noch keine konkreten Pläne vorgelegt.
Info Box: Um was geht es in der DRG-Krankenhausreform? |
Die Regierungskommission empfiehlt eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung, um einen Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung der Krankenhausversorgung und -vergütung zu leisten. Dies soll ein weiterer Baustein für eine sektorenübergreifende Reform der ärztlichen und pflegerischen Versorgung in Deutschland sein. Sie erkennt, dass das DRG-System, das auf Leistungs- und Mengenorientierung basiert, Fehlanreize schafft und die Möglichkeiten für eine Ambulantisierung nicht ausnutzt. Deshalb plädiert sie für eine Kombination aus leistungsabhängiger Vergütung und einer Vorhaltefinanzierung, die an Versorgungslevel und Leistungsgruppen gekoppelt ist. Darüber hinaus sieht sie eine regelmäßige Evaluation und wissenschaftliche Begleitung der Umstellung als unerlässlich an. |
4. Notfallmedizin
Fakt: Der Reformvorschlag für die Notfallmedizin ist wichtig, denn die über Jahre gewachsene Notfallversorgung ist nicht mehr zeitgemäß und führt vielerorts zu einer Ressourcenverschwendung. Ziel der Notfallreform ist die Aufhebung der sektoralen Trennung, die aktuell im 3-Säulenmodell Notaufnahme Krankenhaus, Notfallversorgung der KVen und Notfallrettung organisiert ist. Hierzu sollen integrierte Leitstellen (ILS) aufgebaut werden, um die Patienten den richtigen Stellen zuzuweisen. Innerhalb der Kliniken des Level II und III sollen darüber hinaus integrierte Notfallzentren (INZ) entstehen, die spezielle Voraussetzungen für die Notfallversorgung aufweisen müssen.
Kurzkommentierung: Bei der Notfallversorgung wäre es sinnvoll das Projekt in zwei Themenblöcke zu untergliedern: Zunächst sollte die Schaffung von integrierten Leitstellen vorangetrieben werden, um die Fehlallokation der Notaufnahme in den Kliniken zu vermeiden. Erst im zweiten Schritt könnten dann die INZ und KINZ aufgebaut werden, damit die Kliniken nicht zu viele Reformschritte auf einmal abarbeiten müsse.
5. Hybride Versorgungsmodelle - Level li
Fakt: Der Schritt Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung gemäß G-BA Notfallstufen teilnehmen und häufig auch über keine Intensivstation verfügen, in Level Ii Krankenhäuser zu transformieren ist vermutlich die größte Veränderung der gesamten Reform. Noch sind diese sogenannten hybriden Gesundheitsversorger aus Krankenhaussicht etwas negativ behaftet, weil der Status als eines „echten“ Krankenhauses verloren geht. Mit Blick auf die aktuellen Defizite im Gesundheitswesen, das von zu hohen stationären und zu geringen ambulanten oder hybriden Angeboten geprägt ist, werden ambulante Leistungsspektren, die mitunter eine stationäre aber nicht intensive Überwachung bedürfen, eine potenziell große Nachfrage nach sich ziehen.
Im Zentrum stehen Patientenfälle mit folgenden Charakteristiken:
- Nach der ambulanten Behandlung ist eine Überwachung ratsam, aber keine intensivmedizinische Behandlung notwendig.
- Der Schweregrad, gemessen als PCCL-Level, liegt zwischen 0-2, so dass die Patienten keine komplexen Komorbiditäten aufweisen und in der Regel auch keine klassische stationäre Therapie benötigen.
- Eine ärztliche Rufbereitschaft ist ausreichend.
- Eine stationäre Beobachtung ist aufgrund der sozialen Umstände erforderlich, weil sich die Patienten nicht selbständig zu Hause versorgen können.
Kurzkommentierung: Level Ii Krankenhäuser werden die größte Veränderung im Rahmen der Krankenhausreform mit sich bringen. Sie sind für Patienten attraktiv und könnten eine hohe Nachfrage nach sich ziehen. Damit die Transformation gelingt, muss die Regierung den Vergütungsanreiz für diese hybriden Modelle ausreichend hoch ansetzen. Dann werden sowohl öffentliche, freigemeinnützige und auch private Träger attraktive Angebot für die Patienten auf die Beine stellen.