Skip to content

Krankenhäuser: Professionalisierungsschub ante portas!

Professionalisierung, Produktivität und Innovationen gehen Hand in Hand und häufig in Wellenbewegungen. Die Gesundheitsbranche könnte durch die Krankenhausreform vor einer neuen Professionalisierungswelle stehen! Was das bedeutet und welche Bereiche betroffen sind, werden wir nachfolgend eruieren.

Krankenhäuser sind längst nicht mehr kleine, lokale Einrichtungen, sondern mittlere bis große Unternehmen, die mit maximaler Professionalität organisiert werden müssen. Durchschnittliche kleine Kliniken erwirtschaften bereits Umsatzerlöse von knapp 40 Millionen Euro, Schwerpunktversorger liegen zwischen 170 und 250 Millionen Euro und Universitätskliniken erzielen im Mittel fast eine Milliarde Euro Umsatz (Quelle BinDoc Klinik Bilanz Rating 2024). Angesichts dieser Größenordnungen ist eine Professionalisierung unerlässlich, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

Rückblick auf die letzte Professionalisierungswelle

Systemwechsel wirken sich immer auf die leistungserbringenden Unternehmen aus. Die letzte große Professionalisierungs- und Produktivitätssteigerung wurde mit der Einführung des DRG-Systems (Diagnosis Related Groups) im Jahr 2005 eingeleitet. Durch die DRGs wurden die Anreizsysteme für die Kliniken verändert, was zu einer starken Veränderung in der Patientenbehandlung, zu rasanteren Innovationsadaptionen und Produktivitätssteigerungen geführt hat. Negative Folgen aus den DRG-Anreizen waren mitunter eine enorme Mengenausweitung und ein eventuell zu starker Fokus auf invasive Therapien.

Trotz der Effizienzsteigerung z.B. in der Verweildauer sind viele Bereiche in den Kliniken noch nicht auf dem professionellen Niveau, das in Unternehmen vergleichbarer Größe in der freien Wirtschaft Standard ist.

Entwicklung Verweildauerreduktion (Produktivitätssteigerung) und Fallzahlsteigerung (Mengenausweitung), Quellen: Statistisches Bundesamt, BinDoc GmbH
Entwicklung Verweildauerreduktion (Produktivitätssteigerung) und Fallzahlsteigerung (Mengenausweitung), Quellen: Statistisches Bundesamt, BinDoc GmbH

Die Krankenhausreform als Chance für die nächste Welle

Die aktuelle Krankenhausreform bietet nun die Möglichkeit, eine weitere Professionalisierungswelle einzuleiten. Sie kann als Katalysator dienen, um bestehende Strukturen zu überdenken und Prozesse zu optimieren. Insbesondere die Veränderung der Medizinstrategie kann hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Viele Kliniken werden zukünftig weniger Leistungsgruppen anbieten und können sich dadurch stärker auf ihre Kernkompetenzen fokussieren. Dieser Fokus ermöglicht es, Ressourcen gezielter einzusetzen und die Qualität der Versorgung zu erhöhen.

Mehr Planungssicherheit durch das Vorhaltebudget?

Das sehr kontrovers diskutierte Vorhaltebudget könnte den Kliniken bei positiver Entwicklung mehr finanzielle Planungssicherheit geben. Diese Stabilität erleichtert Investitionen in die Ressourcenbasis und ermöglicht eine langfristige strategische Planung. Mit gesicherten finanziellen Mitteln können Kliniken gezielter in Organisation, Infrastruktur, Prozesse und Personal investieren.

Fokusbereiche der Professionalisierung

Um die Chancen der Professionalisierung voll auszuschöpfen, sollten Kliniken sich auf diejenigen Kernbereiche konzentrieren, die den größten Anteil der Wertschöpfung ausmachen.

Haupt Wertschöpfungsbereiche im Krankenhaus

Zentrale Wertschöpfungsbereiche im Krankenhaus, Quelle BinDoc GmbH

1. Fokusbereich Normalstation: Organisation und Infrastruktur

  • Mit 34% ist die Normalstation der Ort der größten Wertschöpfung im Krankenhaus.
  • Die Organisation der verfügbaren Kapazitäten muss in vielen Kliniken im Rahmen einer „Neuaufstellung“ vollständig neu konzipiert werden.
  • Auslastung planen: Aktuell werden Stationen, mit sehr unterschiedlichen Auslastungen betrieben, teilweise unter 70%. Bettenplanung im Rahmen der Medizinstrategie:
    • Eine effektive Bettenplanung (Kapazitätsplanung) der Auslastung ist essentiell, um Ressourcen optimal zu nutzen sowie wirtschaftlich und qualitativ hochwertig zu arbeiten.
    • Bettenmanagement: Die geplanten Betten sollten durch ein professionelles Bettenmanagement betrieben werden.
Bettenauslastung und Wirtschaftlichkeit der Kliniken im Zeitverlauf, Quelle: Statistisches Bundesamt, BinDoc GmbH
Bettenauslastung und Wirtschaftlichkeit der Kliniken im Zeitverlauf, Quelle: Statistisches Bundesamt, BinDoc GmbH

2. Fokusbereich OP

  • Mit 27% ist der OP inklusive der Anästhesie der zweitgrößte Wertschöpfungsbereich in einem durchschnittlichen Maximalversorger. Die Konzeption und der Betrieb des OP-Bereichs sollten demzufolge hoch professionell sein.
  • Wir haben hierzu ein ausführliches Webinar und einen Artikel verfasst, wie eine professionelle OP-Konzeption und -betrieb gelingen kann. Elektiv-OP und ZOP-Konzept: Die Trennung von geplanten (elektiven) von nicht planbaren Operationen.

3. Fokusbereich Patientenfluss: Standards und Prozesse

  • Die Intensivstation, die diagnostischen Bereiche und die Patientenaufnahme repräsentieren zusammen 35% der Wertschöpfung im Krankenhaus. Diese Bereiche müssen sowohl ganzheitlich im Sinne der Patient Journey als auch einzeln optimiert werden.
  • In der ganzheitlichen Betrachtung sind Standards und Prozesse von herausragender Bedeutung.
  • Standards und Prozesse sind die Bereiche, die im Vergleich zu anderen Branchen im Gesundheitswesen am deutlichsten unterentwickelt sind. In vielen Kliniken fehlen klar strukturierte und vereinheitlichte Prozesse. Häufig werden diese in jeder medizinischen Abteilung individuell festgelegt, mitunter gibt es sogar Variationen innerhalb der Abteilungen, so dass der Gesamtprozess von bestimmten Personen abhängig ist:
    • Aufnahmestandards (4% der Wertschöpfung): Standardisierte und effiziente Aufnahmeprozesse reduzieren Wartezeiten und erhöhen die Patientenzufriedenheit.
    • Diagnosestandards (18% der Wertschöpfung): Durch klare Standards im Diagnoseprozess können Fehldiagnosen reduziert und Behandlungen schneller eingeleitet werden.
    • Therapiestandards: Einheitliche Therapieprotokolle gewährleisten eine hohe Behandlungsqualität und reduzieren Variationen in der Patientenversorgung.
    • Postoperative oder posttherapeutische Standards: Strukturierte Nachsorgeprozesse verbessern die Genesung und reduzieren das Risiko von Komplikationen.

4. Fokusbereich: Personalorganisation

  • An allen oben beschriebenen Orten wird der Großteil der Wertschöpfung durch das Personal erbracht.
  • Seit der Corona-Pandemie sind die stationären Fallzahlen mehr als 10% zurückgegangen. Gleichzeitig wurden zusätzliche Personalkapazitäten in Pflege (ca. +8%) und Ärzteschaft (ca. +6%) geschaffen. Trotzdem kommt es zu Überlastungen und erhöhten Krankheitsausfällen. Ein Grund dafür ist die mitunter nicht vollständig professionelle Organisation des Personals. Ausgewählte Bereiche die professionalisiert werden müssen:
  • Professionalisierung und Zentralisierung der Dienstplanung: Eine zentrale Dienstplanung kann Personalengpässe vermeiden und eine gleichmäßigere Arbeitsbelastung sicherstellen.
  • Einarbeitungskonzepte: Strukturierte Einarbeitungsprogramme für neue Mitarbeiter erhöhen die Effizienz und reduzieren die Einarbeitungszeit.
  • Personalgewinnung: Eine professionelle Personalgewinnung ist entscheidend, um qualifiziertes Personal zu finden und langfristig zu binden.
Rückgang der Personalbelastung/Produktivität (in Casemixpunkte je VK ärztlicher Dienst), Quelle BinDoc GmbH
Rückgang der Personalbelastung/Produktivität (in Casemixpunkte je VK ärztlicher Dienst), Quelle BinDoc GmbH

 

Warum jetzt handeln?

Die Notwendigkeit zur Professionalisierung ergibt sich nicht nur aus den Herausforderungen der Krankenhausreform, sondern auch aus externen Faktoren wie neuen Technologien, insbesondere der Digitalisierung und dem demografischen Wandel. Kliniken müssen sich anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und eine hohe Versorgungsqualität sicherzustellen.

Fazit

Die Krankenhausreform eröffnet Kliniken die Möglichkeit, den nächsten Schritt in Richtung Professionalisierung zu gehen. Durch gezielte Maßnahmen in den Bereichen Organisation, Prozesse und Personal können Effizienz gesteigert, Kosten gesenkt und die Patientenzufriedenheit erhöht werden. Es ist an der Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen und die Chancen, die sich bieten, konsequent zu nutzen.

Aktuelles von BinDoc auf LinkedIn